Auszug aus der Eröffnungs-Rede von Dr. Barbara Klose-Ullmann
Ausstellungseröffnung BLICKRAUM, 17.4.2009 pp projects, Hamburg
Blickraum
„Für die Künstlerin bedeutet Blickraum der Raum, der sich mit dem Blick eines Lebewesens öffnet und in dem auch vergangene und zukünftige Blicke enthalten sind. Dieser Blickraum ist für sie ohne die intensive Erfahrung des Blicks in den Sternenhimmel nicht denkbar. Ihr geht es darum, wie Blicke gesendet und empfangen, wie sie zurückgeworfen und im Blickraum projiziert werden: Der Blick als aktive Projektion, als projizierte Raum-Choreographie.
Raum ist dabei der zentrale Begriff: Der Raum ist zuerst da und die Zeit ist die Choreographie, das Spiel mit dem Raum. Den Grundkoordinaten eines Menschen spürt Katharina Kohl im Blick nach. Sie fragt sich: Was sehe ich, wenn ich einen Menschen sehe?
Katharina lotet in den Bildern dieser Ausstellung mit den Mitteln der Malerei das Verhältnis von Bildraum und Blickraum aus. Die Wechselwirkung von Betrachten und Gesehen-Werden ist für sie eine kommunizierbare Raumerfahrung. Dabei setzt sich Katharina mit dem Blickbündel des zu Porträtierenden intensiv auseinander. Denn er fördert die Essenz der Person ans Tageslicht.
Wie die hier ausgestellten Werke zeigen, läßt sie das Dokumentarische einer Person weg. Die Porträtierten scheinen alterslos. Der Betrachter kann sie nicht anhand der Frisur, Gesichtszüge oder anderer Merkmale identifizieren – und trotzdem fesseln sie, schauen einen an. Was geschieht in diesem Blickraum? Konzentriert sich Katharina auf die Blicke des Porträtierten oder steht ihr eigener Blick auf die Person im Vordergrund?
ZITAT MATISSE:
„Man könnte sagen, dass das photographische Porträt genüge. Für die Anthropometrie ja, aber für den Künstler, der den wahren Charakter eines Gesichtsausdrucks sucht, steht es anders: Das Festhalten der Züge eines Modells offenbart sehr oft die unbekannten Gefühle des Rutengängers selbst, der sie sichtbar gemacht hat.“
Für Katharina ist das Wesentliche einer Person ihr Blick. Er ist das grundlegende Element des menschlichen Bewußtseins. Aber, so meint sie, das Schauen geschieht nicht nur mit den Augen: Manche Menschen schauen mit dem Hals, der Stirn, oder den Ohren gleichermaßen. Um herauszufinden, welcher Teil des Gesichts für den Blick von Bedeutung ist, macht sie Zeichnungen von dem, was sie von der Präsenz eines Menschen in Erinnerung hat. Diese Zeichnungen führen zu speziellen Bildausschnitten.“
Velázquez
„Auch die heutige Ausstellung hat wie viele ihrer Arbeiten einen starken Bezug zu ihrem großen Vorbild Velázquez. Seit Jahren treibt sie die Frage um, wie Velazquez Menschen und Dinge gesehen und in Bildern ausgedrückt hat – und ist dabei ja in bester Gesellschaft. Sie beschäftigt sich seit langem mit seinem berühmten Werk „Las Meninas“. Dieses Bild eröffnet für den Betrachter so etwas wie eine Theaterbühne, auf der Velazquez eine direkte Kommunikation mit dem Betrachter aufnimmt. Das Bild hat diverse, vertrackte „Blickbeziehungen“. Katharina geht in diesen von Velázquez geschaffenen Blickraum hinein, verwendet Ausschnitte, sozusagen als Ausgangspunkt für ihre eigene Bündelung von Blicken und deren Beziehungen untereinander.
Velázquez begegnet uns in dieser Ausstellung nicht nur mit den Meninas sondern auch mit Innozenz X, der Pamphili Papst, dessen wunderbares Bild in Rom im Palazzo Dora Pamphili hängt.
Katharina Kohl machte viele Skizzen.
Sie sollten sich nun selbst von der Qualität von Katharinas Malerei überzeugen und sich ihre Arbeiten ansehen. Und achten Sie darauf, was mit Ihrem Blick passiert. Ändert er sich? Wird er gespeichert? Haben Sie das Gefühl, in eine Blickbeziehung zu treten? Jedenfalls wünsche ich Ihnen gute Blickraum-Erfahrungen und einen schönen Abend.“
BKU
Dr. Barbara Klose-Ullmann
Gnesener Str. 1, 81929 München
www.klose-ullmann.de e-mail: bku-info (@)klose-ullmann.de